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Drei Unternehmer, drei Visionen für die Industrie 4.0

Dominik Trost (holo|one), Philippe Kapfer (NextDay.Vision), Roy Chikballapur (MachIQ)
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Drei Unternehmer, drei Visionen für die Industrie 4.0

05.11.2018

BaselArea.swiss lud Start-ups und Industrie 4.0-Projekte zur Teilnahme am ersten Industry 4.0 Challenge ein. Eine Jury aus der Branche wählte drei Finalisten aus: Philippe Kapfer von NextDay.Vision, Roy Chikballapur von MachIQ und Dominik Trost von holo|one. In diesem Gespräch erfahren Sie mehr über ihre Beiträge und Ziele. Sie können die Unternehmer am 20. und 21. November 2018 auf der Messe «Industries du Futur» in Mulhouse treffen.

Dominik Trost (holo|one), Philippe Kapfer (NextDay.Vision), Roy Chikballapur (MachIQ)
Dominik Trost (holoone), Philippe Kapfer (NextDay.Vision), Roy Cikballapur (MachIQ) (img: Pino Covino)

BaselArea.swiss: Welches Problem will Ihr Unternehmen lösen?

Dominik Trost, holo|one: Im Allgemeinen setzen unsere Lösungen «Augmented Reality», d.h. erweiterte Wirklichkeit, ein und bringen das Wissen schnell dahin, wo es gebraucht wird. Das heisst, wir bieten intuitive Wartungsunterstützung an. Dazu zählen holografische Checklisten oder Tools für Rapporte, Remote Assistance in AR für Unternehmen, die elektronische Informationen an Standorte auf der ganzen Welt senden müssen, sowie herkömmliche Videoanrufe. Zudem verwenden wir Hologramme und Animationen als Storytelling-Tools und entwickeln eine App für Design-Zwecke und Präsentationen. Vor allem sind wir bestrebt, alles einfach zu halten: Unsere Apps konzentrieren sich auf einige leistungsfähige Features und können alle über unser browserbasiertes Portal verwaltet werden. Man soll unsere Apps mühelos nutzen können.

Roy Chikballapur, MachIQ: Wir helfen Maschinenbauern und Herstellern, die Performance der Anlagen und Geräte zu steigern. Zu diesem Zweck entwickelte MachIQ eine Software für Maschinenbauer, welche die Kundenbetreuung vereinfacht, die Maschinen überwacht und so die ungeplanten Ausfälle bei den Kunden reduziert. Herstellern bietet MachIQ eine Software an, die den vorausschauenden Support unterstützt sowie nützliche Funktionen für Werksleiter, Kontrolleure und das Wartungsteam kombiniert. Kurz gefasst: Wir erwecken Maschinen zum Leben.

Philippe Kapfer, NextDay.Vision: Next Day Vision vereinfacht die Kommunikation zwischen Herstellern von Maschinen und deren Kunden und macht sie sicherer. Normalerweise sind Verbindungen zwischen zwei Kontakten unsicher und anfällig, denn eine oder sogar beide Seiten müssen die Verbindung öffnen. So werden sie angreifbar. Ausserdem müssen Sie den Workflow in der Regel unterbrechen, um einen Partner zu validieren. Unsere API ist so designt, dass sie Unternehmen dabei hilft, eine integrierte Software zu erstellen. So kann eine Firma ihre Maschine beispielsweise aus der Ferne updaten und den Validierungsworkflow auf Kundenseite direkt integrieren. Dabei muss der Kunde sich auf seinem Smartphone anmelden, indem er von Hand unterschreibt, bevor der Hersteller die Maschine aus der Distanz updaten kann. Das führt zu einem nachvollziehbaren und regelkonformen Prozess.

Wann und warum haben Sie Ihr Unternehmen gegründet?

Philippe Kapfer: NextDay Vision gibt es seit Mitte 2017. Davor habe ich im Rahmen meiner Masterarbeit ein Buch über die Sicherheit von Computersystemen geschrieben. Darin zeige ich, wie sich Windows hacken lässt – Computersysteme von Unternehmen sind leicht von innen angreifbar. Aus Angst vor solchen Angriffen nutzen viele Firmen beispielsweise die Cloud nicht und versuchen, ihre Systeme geschlossen zu halten. In Gesprächen mit Maschinenherstellern und deren Kunden habe ich festgestellt, dass hierfür Lösungen fehlen. Im Zuge der Digitalisierung stellt sich natürlich die Frage, wie wir Verbindungen sicher machen können. Mein Unternehmen liefert Antworten auf diese Frage.

Roy Chikballapur: Als ich bei Schneider Electric in Paris arbeitete, wirkte ich bei der Digitalisierung der industriellen Angebote für verschiedene Unternehmen mit. In Gesprächen mit den Maschinenbauern und Herstellern erfuhr ich, dass sie mit noch viel grundlegenderen Problemen zu kämpfen hatten. So etwa mit der Kundenbetreuung. Es braucht einfach viel zu viel Zeit, die Kunden- und Seriennummern herauszufinden und Sachen zu reparieren. In dieser Zeit stellt die Maschine nichts her und erzielt nur Verluste für das Unternehmen. Die Idee für mein Unternehmen hatte ich 2014, 2016 habe ich dann MachIQ gegründet.

Dominik Trost: Alles begann mit der Präsentation der Microsoft HoloLens: Wir sahen die Präsentation live und wussten, dass AR-Brillen ein grosses Potenzial hatten. Bald erhielten wir das erste Gerät und leiteten viele Workshops mit Unternehmen aus verschiedenen Branchen. Wir erkannten die Vorteile der Technologie sofort. Auch die Unternehmen waren davon überzeugt. Nach der Beurteilung des Marktpotenzials in der Schweiz gründeten wir unser Unternehmen am Ende des Jahres und konzentrierten uns zuerst auf einzelne Vorzeigeprojekte. Wir erkannten schnell, dass ein standardisierter Ansatz den Anforderungen der Unternehmen besser entsprach, aber es gab noch viel zu tun: Dieses Jahr arbeiteten wir fast ausschliesslich an der Entwicklung unserer neuen AR-Plattform, Sphere, die Ende November in Betrieb genommen wird.

Wie haben Sie vom 4 Challenge gehört und warum haben Sie sich beworben?

Dominik Trost: Markus Ettin, Industry 4.0 und Automatization Manager bei der Bell Food Gruppe meinte, wir wären gute Kandidaten für die Industry 4.0 Challenge und sollten uns näher damit befassen. Obwohl wir eher einen internationalen Ausblick haben, war es uns auch wichtig, unsere Technologie in der Region besser bekannt zu machen, deshalb haben wir es gewagt …

Philippe Kapfer: Für mich war das wie ein Lackmustest. Ich wollte wissen, wie unsere Lösung ankommt. Beim Industry 4.0 Challenge hatte ich die Möglichkeit, mein Projekt von Industrieexperten nochmals bestätigen zu lassen. Gleichzeitig hat mir die Jury bestätigt, dass wir tatsächlich etwas Neues in die Industrie bringen.

Roy Chikballapur: Wie standen mit BaselArea.swiss in Verbindung, weil das Team uns half, aus dem Kanton Waadt nach Basel-Stadt zu ziehen. Sebastien Meunier, der für die Initiative zuständig zeichnet, berichtete darüber auf LinkedIn. So sind wir darauf aufmerksam geworden. Meines Erachtens sind die Diskussionen in der LinkedIn Community von BaselArea.swiss für die Industrie 4.0 relevant, deshalb haben wir uns beworben.

Was bedeutet der Begriff «Industrie 4.0» für Sie und warum halten Sie das Thema für wichtig?

Dominik Trost: Für uns ist Industrie 4.0 die logische Weiterentwicklung der Industrie anhand Tools und Technologien, die verfügbar sind oder entwickelt werden. Wie das 4.0 bereits andeutet, handelt es sich um die industrielle Revolution unserer Generation. Sie steht für Produktivität, Sicherheit und Vernetzung. Unserer Meinung nach bleibt Industrie 4.0 auch in den kommenden Jahrzehnten ein heisses Thema. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, auf den Zug aufzuspringen.

Philippe Kapfer: Ich glaube, dass der Begriff «Industrie 4.0» oft gebraucht wird, um ein neues Produkt oder einen neuen Service zu verkaufen. Oft war die Technologie schon da, wird aber unter dem Titel Industrie 4.0 anders genutzt. Das Label wird global verwendet, wobei jeder darunter verstehen kann, was er will. Für mich bedeutet Industrie 4.0 in erster Linie, dass die Industrie sich weiterentwickelt.

Roy Chikballapur: Ich glaube, da steckt mehr dahinter. Der Fokus scheint heute vor allem auf den Technologien zu liegen, welche die Digitalisierung der Prozesse ermöglichen, auf der Generation nützlicher Daten und Algorithmen, welche die Menschen in verschiedenen Funktionen im Fertigungsbereich ersetzen sollen. Bei MachIQ konzentrieren wir uns jedoch eher auf den Wandel der Geschäftsmodelle, den diese Technologien herbeiführen werden, wenn sie erst einmal grossflächig eingeführt sind. Unseres Erachtens bereiten sich die wenigsten Unternehmen darauf vor. Nehmen wir ein Beispiel: Die meisten Maschinenbauer betrachten den Verkauf von Ersatzteilen und die Erbringung von Wartungs- und Reparaturleistungen als ihr Dienstleistungsgeschäft. Ihre Kunden kaufen aber in Wirklichkeit die Erfahrung von null ungeplanten Ausfällen. Infolge der verbesserten Vernetzung von Maschinen und der Analyse der Betriebsdaten in Echtzeit kann heute Ausfällen vorgebeugt werden.

Maschinenbauer, die das tun, verlieren dann aber einen Teil der Erlöse aus dem Ersatzteilverkauf. Sind sie darauf vorbereitet? Nicht, wenn sie an den herkömmlichen Geschäftsmodellen festhalten. Was wäre, wenn den Kunden ein «Netflix-Vertrag über Ersatzteile und Leistungen» angeboten würde, mit dem sie Betriebszeit kaufen? Was wäre, wenn ein Joghurthersteller seinen Maschinenlieferanten auf der Grundlage der Joghurtbecher bezahlt, die monatlich vom Fliessband laufen? Der Schwerpunkt würde von einem kapitalintensiven Modell auf ein Betriebszeitmodell verlagert werden, auch im Maschinenbau. Das Industrie 4.0-Modell zwingt die Anbieter, mit ihren Kunden, und die Wettbewerber, mit ihren Konkurrenten zusammenzuarbeiten. Unsere Aufgabe besteht darin, alle Parteien in diesem Wandel schrittweise zu begleiten, damit das aktuelle Geschäftsmodell allmählich umgestellt werden kann.

Wo sehen Sie die Entwicklung in der Region?

Roy Chikballapur: Wir haben uns vor allem deshalb für Basel entschieden, weil es im Mittelpunkt der europäischen Maschinenbauindustrie liegt. In einem Radius von 300 km findet sich die grösste Konzentration führender Maschinenbauunternehmen in allen wichtigen Wirtschaftszweigen. Ferner hat uns auch der Fokus des Kantons auf Industrie 4.0 überzeugt. Es gibt noch viele andere Start-up-Hubs in Europa. Sie konzentrieren sich jedoch eher auf Themen wie Fintech, Blockchain oder künstliche Intelligenz. Ich persönlich hoffe, dass sich die Region einem konkreteren, realeren Bereich widmet und sich dabei auf ihre Stärken als Life-Sciences-Hub und als Zentrum der Industrie und Logistik stützt.
Wir würden gern mit mehr Start-ups zusammenarbeiten, die sich dem Thema Industrie 4.0 widmen. So könnten wir unsere Produkte integrieren und umfassendere Angebote bereitstellen. Wir würden auch gern stärker mit grösseren Industrieunternehmen in der Region zusammenarbeiten. Ich bin sicher, dass ein solcher Fokus die Innovation beschleunigen und die Position von Basel als Hub für Industrie 4.0-Hub untermauern würde.

Dominik Trost: Als Softwarehaus mit einem standardisierten Produkt ist unser Ausblick weniger regional als national bzw. von Sprachgrenzen bestimmt. Wenn wir uns die Lage der AR in der Schweiz und in Deutschland ansehen, dann entdecken wir tatsächlich mehr Entwicklungszentren hier als in anderen Ländern, zumeist in Form einzelner Start-ups und Universitätsprogramme. Dennoch gilt AR heute immer noch als experimentelle Technologie, obwohl die Apps einsatzbereit sind und viele Vorteile bringen. Es gibt hier bei Weitem keinen so heftigen Wettbewerb wie in den USA oder in Ostasien. Und das ist sowohl eine Chance als auch eine Warnung.

Welche Pläne haben Sie für Ihr Unternehmen?

Philippe Kapfer: Wir haben aktuell vor allem Kunden im Jura und in der welchen Schweiz. Zusätzlich zu unseren Produkten biete ich auch Trainings und Audits zu Information Security Systemen an. Künftig will ich noch mehr Kapazitäten in die Entwicklung stecken.
Wir peilen sowohl den nationalen als auch den internationalen Markt mit unserer Security Software und API an. Der Cybersecurity-Markt wächst jährlich um zehn Prozent, aber es gibt nicht genügend Leute, die auf diese Entwicklung eingehen können. NextDay.Vision stellt die Software zur Verfügung, die ein Bedürfnis stillt und die es Unternehmen erleichtert, hohe Sicherheitsstandards zu erfüllen. Wir wollen Cybersecurity im Mindset der Industrie verankern. Dazu gehört, dass wir Verbindungen zwischen Kunden und Herstellern ermöglichen, ohne dafür die Datensicherheit zu opfern. Wir sind zuversichtlich, mit unserem Produkt und unserer Vision weiter zu wachsen.

Dominik Trost: Derzeit ist beinahe alles möglich Wir bauen unser Vertriebsnetz aus und werfen auch einen Blick ins Ausland. Wir bewerben unsere Produkte bereits in Deutschland und sehen uns jetzt in anderen Ländern um. Ausländische Wettbewerber werden sicher den europäischen Markt erschliessen, deshalb müssen wir schnell und entschieden handeln. Wir haben ein kompetentes Team aufgebaut und vertrauen der Qualität unserer Produkte, deshalb freuen wir uns darauf, was die Zukunft bringt.

Roy Chikballapur: MachIQ positioniert sich als neutraler, markenunabhängiger Akteur. Unsere Software vernetzt Maschinenbauer mit ihren Endkunden in der Industrie und ermöglicht es, die Leistung deren Anlagen besser zu verwalten. Die Software von MachIQ schafft die Dynamik einer «Daten-Genossenschaft» für Industrie 4.0. Gemeinsame Daten nützen allen im System. Sie werden sicher verwaltet, damit sie nicht die Beziehungen der Unternehmer zu ihren Anbietern und Kunden beeinträchtigen oder die Wettbewerbsdynamik zwischen Konkurrenten verzerren.
Unser Ziel ist es, das «Geschäftsbetriebssystem» einer über Industrie 4.0 vernetzten Welt zu werden. Obwohl viele Firmenchefs noch nicht daran gedacht haben, verstehen sie uns sofort, wenn wir ihnen unsere Vision erklären. Unser Kundenstamm wächst schnell. Deshalb versuchen wir jetzt, unser Team personell zu verstärken und rasch die richtigen Talente einzustellen.

Text: Annett Altvater

About

Roy Chikballapur is an engineer in computer science. During his career, he worked in Bangalore, Bejing, Hongkong, Paris and Nice in companies like Schlumberger and Schneider Electric before locating his startup MachIQ in Basel.

Dominik Trost co-founded holo|one and is the Marketing Manager. He studied Business Administration and Management. In 2015 he founded Comptex Solution Engeneering, in 2016 holo|one.

Philippe Kapfer has an engineering degree and holds a Master degree in Information Security Management. He wrote the book “Internal Hacking and Countermeasures in a Windows Environment” before he founded NextDay.Vision in 2017.

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