Skip to main content

«Ich war schon immer eine von wenigen Frauen in der Industrie»

| News

«Ich war schon immer eine von wenigen Frauen in der Industrie»

Oraganization | 27 September 2018

SOLO Swiss mit Sitz in Pruntrut im Kanton Jura baut seit 1924 Industrieöfen für die Wärmebehandlung von Metallen. Das Familienunternehmen, das weltweit agiert, entwickelt sich im Rahmen der Industrie 4.0. Es steht zunehmend vor der Herausforderung, qualifizierte Mitarbeitende für seine Aktivitäten zu finden, kämpft mit den Folgen des starken Frankens und leidet bisweilen unter der Last der administrativen Vorschriften. Gespräch mit Anne-Sophie Spérisen, Präsidentin und CEO.

Anne-Sopie Spérisen, CEO of the SOLO Swiss Group (img: Didier Walzer)

BaselArea.swiss: Ich nehme an, dass die Industrie 4.0 ein Entwicklungsschwerpunkt für Sie ist?

Anne-Sophie Spérisen: Ja, natürlich. Industrie 4.0 bedeutet die Erfassung aller verfügbaren Daten zu einer Maschine und deren Umwandlung in Informationen oder «Impulse» für andere Vektoren, die beispielsweise dem ERP (Enterprise Resource Planning) übermittelt werden. Zudem werden Informationen zur vorbeugenden und korrektiven Instandhaltung einer Maschine verarbeitet. Wenn zum Beispiel eine Turbine allmählich reparaturanfällig wird, erhält der Betreiber Warnsignale. Es kann sich auch um Verwaltungsdaten handeln, die dem Steuercockpit übermittelt werden.

Ist das Potenzial für die Industrie 4.0 in Ihrem Unternehmen hoch?

Ja. Alle unsere Maschinen lassen sich vernetzen und alle Informationen über die einzelnen Anlagen können hochgeladen werden. Die Industrie 4.0 ist auch für die Instandhaltung sehr nützlich. Es wäre beispielsweise möglich, einen Kunden in Schanghai mit einer vernetzten Brille auszustatten, damit unsere Techniker in der Schweiz ihm erklären, wie er seine Maschine anhand unserer Anweisungen reparieren kann. Unser Ziel ist es, dass die Industrie 4.0 für unseren Kunden einen echten Vorteil darstellt – für die Fertigung, die Instandhaltung, die Überwachung, die Produktivität der Maschinen und das Steuercockpit.

Wir neigen dazu, alles Mögliche in die Industrie 4.0 hineinzuinterpretieren. Aber worum handelt es sich eigentlich konkret?

Um die Erfassung und die Verarbeitung von Daten auf eine völlig neue Art. In der Industrie 4.0 versuchen wir, neue Technologien und neue Prozesse eben über diese Industrie 4.0 zu vernetzen. Letztlich geht es praktisch darum, neue Produkte und Leistungen zu schaffen. Aus diesem Grund beschäftigen wir seit zwei Jahren einen Ingenieur, der sich nur diesem Projekt widmet, auch wenn er nicht der Einzige bei uns ist, der sich damit befasst. Er muss mehrere Bereiche perfekt beherrschen, Informatik, Datenverarbeitung und neue Technologien (Messfühler, Sensoren) sowie die damit verbundenen Möglichkeiten, denn auf diesem Gebiet gibt es ständig neue Entwicklungen.

Und wie steht es um die Instandhaltung?

Für uns handelt es sich um ein wesentliches Thema. In diesem Bereich bieten wir unseren Kunden individuelle Internetportale an. Sie können aus der Ferne auf ihre Maschinen zugreifen und die Fertigung online verfolgen. Die Maschinen können überall mit Sensoren ausgerüstet werden. Sie generieren relevante Informationen, die der Kunde dann in einer und kohärenten, klaren und für ihn verständlichen Form erhält, je nach Bedürfnis. Wir müssen alle Daten in der Form zur Verfügung stellen, die der Kunde wünscht. Beispielsweise sämtliche Aufzeichnungen bezüglich der Instandhaltung seines Ofens.

Finden Sie die Kompetenzen, die Sie für die Industrie 4.0 brauchen, im Jura?

Nein, das ist nicht so einfach. Es gibt kaum Einrichtungen, die solche Schulungen anbieten. Wir suchen vor allem IT-Fachleute, insbesondere solche, die auf die Industrie 4.0 spezialisiert sind, aber auch die Technik verstehen. Gebraucht werden sowohl IT-Spezialisten als auch Maschinenbau- und Elektroingenieure. Wir sind in einer Region angesiedelt, die sich auf die Mikrotechnik konzentriert. Dies entspricht nicht unserem Geschäftsfeld.

Die Zukunft von SOLO erfordert …

… die perfekte Beherrschung des Verfahrens, d.h., alles, was sich im Ofen abspielt, und die Steuerung der Maschine. Der Kunde fordert perfekte Teile nach der Behandlung, ohne sie nachbearbeiten zu müssen, und die Garantie, dass sie die immer anspruchsvolleren Qualitätsnormen der Automobil- (CQi9) und der Luftfahrtindustrie (AMS 2750) erfüllen. Die Komplexität der zu behandelnden Teile, innovative Legierungen, neue Fertigungsverfahren für Metallteile (3-D-Druck) … so sieht unsere Zukunft aus. Das thermochemische Verfahren unserer Maschinen muss perfekt gesteuert werden. Es handelt sich letztlich um die computergestützte und -gesteuerte Metallurgie.

Können Sie weiterhin in der Schweiz herstellen?

Das ist eine Herausforderung. Wir verkaufen nur 20% unserer Maschinen in der Schweiz und exportieren den Rest in die ganze Welt, weil sich unsere Maschinen an Nischenmärkte wenden. Dazu kommen noch der starke Franken und die Schwierigkeit, qualifizierte Ingenieure im Jura zu finden, insbesondere, wenn der Arbeitsmarkt solide ist. Für uns ist das ein echte Herausforderung. Eine weitere Schwierigkeit ist die Komplexität der Normen und Vorschriften, die verwaltungstechnisch zunehmend eine Last darstellen. Gleichzeitig ist es eine Chance für uns, weil uns die Regeln vor der Konkurrenz der Niedriglohnländer schützen, die mit den steigenden Anforderungen nicht mithalten können. Schliesslich ist es auch schwierig, preislich wettbewerbsfähig zu bleiben. Die neuen Technologien verleihen uns jedoch zum Glück die Fähigkeit, unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter zu steigern.

Sind Sie optimistisch?

Ja, ich bin von Natur aus optimistisch, obwohl es im Alltag nicht immer leicht ist. Es gibt so viele Parameter, die sich blitzschnell ändern können. Erfreulicherweise sind die Märkte derzeit stabil. In den meisten Ländern in Europa, in Russland und in Asien verzeichnen wir ein solides Wachstum. Zudem bauen wir qualitativ hochwertige Maschinen, die den Anforderungen unserer Nischenmärkte entsprechen. Schliesslich können wir auf ein motiviertes Team zählen und planen technische Weiterentwicklungen.

Was können Sie zum chinesischen Markt sagen?

Zu Beginn, also in den 1970ern und 1980ern, verkauften wir unsere Öfen an chinesische Einkaufszentralen. Wir arbeiteten auch mit Vertretern in China zusammen. In den 2000er-Jahren sind wir ein Joint Venture mit einem lokalen Unternehmen eingegangen. Und heute betreiben wir eine Fertigungsanlage in Kanton, die rund hundert Mitarbeitende beschäftigt. Das Unternehmen wird von einer Familie geführt, deren Mitglieder Freunde geworden sind. Es war notwendig und sogar unabdingbar, in China selbst herzustellen, vor allem, um an staatlichen Ausschreibungen teilnehmen zu dürfen.

Wie sehen Sie sich als Frau an der Spitze eines Unternehmens?

Das ist kein Problem für mich. Ich fühle mich sehr wohl. Einige Gesprächspartner sind verunsichert, weil eine Frau vielleicht direkter ist als ein Mann. Wir haben den Mut, Fragen zu stellen, wir sind hartnäckiger. Ich war die einzige Tochter und gehörte später immer zu den wenigen Frauen. In der Industrie gibt es kaum welche, was ich bedauerlich finde. In der Unternehmensführung besteht kein Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau. Es kommt allein auf den Charakter und die Sensibilität an.

www.solo.swiss

Interview: Didier Walzer

About Anne-Sophie Spérisen

Born in Bienne, although she considers herself three-quarters from Jura, Anne-Sophie Spérisen is 54 and has been running SOLO Swiss SA since 2001. She took over from her father.

There are around 80 employees working in Porrentruy (in Jura) and some 20 others spread across the branches in Bienne and France. This adds up to around 100 employees – or 150 including China.

Before SOLO, Anne-Sophie Spérisen, who has a Masters in Economics from the University of Neuchâtel, worked in industrial marketing for an automotive subcontracting company in Detroit in the United States, before holding various positions in finance and controlling at different industrial companies in Switzerland.

The company boss is a member of a non-parliamentary committee in Berne, the PME Forum, and the non-executive board of SERV (Swiss export risk insurance). Finally, she is a member of the French-speaking committee of Swissmem (umbrella association for SMEs and large companies in the Swiss industry for machines, electrical equipment and metals – known as the MEM industry – and associated technical sectors) and also of the Chamber of Commerce and Industry in Jura (CCIJ).

Share this article

You might also be interested in

Roche investiert in Basel zusätzliche 1,2 Milliarden Franken

Roche steckt in den nächsten Jahren weitere 1,2 Milliarden Franken in die Erneuerung seines Standorts in Basel. Die Investition fliesst...
Weiterlesen

Nouscom erhält 67,5 Millionen Euro Finanzierung

Die Biotech-Firma Nouscom hat bei einer Serie C-Finanzierung 67,5 Millionen Euro eingenommen. Das Unternehmen aus Basel will damit die klinische...
Weiterlesen

Wie offene Innovation die digitale Gesundheitsversorgung vorantreibt

Wie die zunehmende Verbreitung digitaler Lösungen das Engagement der Patienten fördert, den Zugang zur Versorgung verbessert und die Kosten der...
Weiterlesen

Wie Sie mit Ihrem Medizinprodukt auf den US-Markt kommen

In einer unserer vergangenen Venture Mentoring-Veranstaltungen von Basel Are Business & Innovation haben wir Nila-Pia Rähle eingeladen, über den Marktzugang...
Weiterlesen

Paradigmenwechsel in der Schmerzbehandlung

Schmerz ist eine überlebenswichtige Empfindung, aber er kann auch zu Depressionen und langfristigem Leiden führen, wenn er nicht richtig behandelt...
Weiterlesen

BOOM Summit in Basel soll Health-Technologien vorantreiben

Der BOOM Summit in der Messe Basel im April 2024 wird eine völlig neue Art von Gesundheitskonferenz sein. Die erste...
Weiterlesen